Von Innovationen getrieben

Kyburz Switzerland AG

Von Innovationen getrieben

21. November 2019 agvs-upsa.ch –Kyburz Switzerland ist mehr als bloss ein Hersteller von Zustellfahrzeugen wie den gelben Postdreiräder oder des Fun-Buggy «eRod». Die Schweizer Innovationsschmiede ist auch ein beliebter Arbeitgeber für junge Ingenieure und Studenten. Ein Werksbesuch. 

jas. Seit 1991 entwickelt, produziert und vertreibt die Firma Kyburz Switzerland AG aus dem Zürcherischen Freienstein-Teufen Elektrofahrzeuge. Die bekanntesten davon sind sicherlich die gelben DXP-Dreiräder der Schweizerischen Post. Die flitzen auch beim Werksbesuch der AGVS-Medien übers Areal der alten Spinnerei. Es herrscht sowieso Hochbetrieb in den verschiedenen Büros, Werkstätten und Sparten von Kyburz: Die Post-Expo in Amsterdam und damit die weltweite Leitmesse für die Post-, Paket- und Expressdienstbranche steht an. Und da will das Unternehmen, das 2019 mit einem Umsatz von 44 Millionen Franken plant, natürlich mit seinen neusten Entwicklungen glänzen.


Die gelben Zustell-Dreiräder DXP der Schweizer Post sind wohl das bekannteste Produkt der Kyburz Switzerland AG, aber längst nicht das einzige.

Rund 140 Mitarbeiter, 20 davon in der Entwicklung, arbeiten inzwischen für den gelernten Maschinenmechaniker und diplomierten Elektroingenieur Martin Kyburz. Der CEO hatte einst für die Tour de Sol 1991 einen futuristischen Einplätzer namens «Cheetah» (Spitze: 130 km/h, Reichweite 150 km) entworfen und später Seniorenfahrzeuge entwickelt. «Ich ticke etwas anders. Bei mir ist nicht die Gewinnmaximierung erster Fokus. Mir geht es ums Projekt», erklärt der 54-Jährige beim Werksbesuch. «Dieses muss immer neu sein. Es muss für die Umwelt gut sein, aber auch den Menschen, die es brauchen, einen Nutzen oder eine Verbesserung bringen. Dafür schaue ich nicht so sehr aufs Budget.» Die Rechnung geht trotzdem auf; die aus einem kleinen KMU entstandene Firma floriert und erschliesst neue Märkte. Auch wird an weiteren Projekten geforscht. Im Innenhof der alten Spinnerei feilt ein Ingenieur gerade an der hochflexiblen autonomen Lieferplattform eT4. Der Prototyp kann bis zu 250 kg und 1,5 Kubikmeter Nutzlast ausliefern. Neue Sensoren-Generationen erlauben, dass er nach der Auslieferung ohne Unterbrechung zur nächsten Mission übergeht. Dies ermöglicht eine massive Reduktion der Stillstandzeiten und steigert die Effizienz des Kyburz eT4 massiv.

Bei seinen Projekten arbeitet Martin Kyburz auch mit der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel und dem DTC in Vauffelin zusammen. Viele gelernte Automobil-Mechatroniker fanden so schon den Weg ins malerische Freienstein-Teufen. «Mit Biel habe ich gute Erfahrungen gemacht. Ingenieure müssen bei mir stets in der Umsetzung ihrer Konstruktionen mit- und daher auch praktisch arbeiten. Das ist für viele junge Ingenieure attraktiv», erklärt Martin Kyburz. «Zudem kommen immer wieder Studenten für Probearbeiten zu uns. Sie lernen uns kennen und wir sie.» Aus einer dieser Arbeiten entstand der 120 km/h schnelle Fun-Buggy von Kyburz. Eigentlich war der «eRod» eine Bachelorarbeit von Schweizer Design- und Automobilingenieurstudenten, deren konkrete Umsetzung Martin Kyburz dann ermöglichte. Entstanden ist ein puristischer, strassenzugelassener (EU und CH) Elektro-Sportler auf Hankook-Reifen, der mit 140 Nm ab der ersten Umdrehung und nur 600 kg Gewicht Fahrspass pur bietet.

Der «eRod» ist nur eines von vielen Kyburz-Projekten. «Es gibt so viele spannende Projekte für mich. Daher muss ich darauf achten, dass ich den Fokus behalte», gesteht er. «Wir lancieren ja nicht nur Forschungsprojekte oder stellen einfach ein Produkt her, um zu zeigen, dass es möglich ist. Ich habe immer eine Produktion im Hinterkopf.» So hat der Elektrospezialist auch schon über Lieferwagen mit Dieselhybridsystem nachgedacht, das Projekt aber wieder verworfen. «Bei der Kategorie bis 3,5 Tonnen wird das kommen. Und wenn die Industrie selbst kommt, dann kann sie dies eh besser als wir.»


Die Produktion des 120 km/h schnellen Fun-Buggy «eRod» wurde inzwischen nach Embrach ZH verlagert.

Nichts vormachen kann man dem Schweizer Unternehmen im Bereich der Zustelldreiräder. Mit 1000 Fahrzeugen für die australische Post hat Kyburz Anfang 2019 einen Grossauftrag an Land gezogen. «Die Australier hatten seit über 10 Jahren nach elektrischen Fahrzeugen für ihre Postboten gesucht. Ich wollte natürlich wissen, wieso sie gerade unser Produkt gewählt haben, die anderen können ja auch Dreiräder bauen», erklärt Martin Kyburz in seiner ruhigen, besonnen Art. Vor allem der Wille der Schweizer, das Produkt gemäss speziellen Bedürfnissen weiterzuentwickeln, machte den Unterschied. «Es sind simple Sachen: etwa die dünne Glasscheibe, die vor der hohen Ultravioletteinstrahlung schützt und trotzdem den Durchgriff zur Briefbox gewährleistet, die Rückfahrkamera, der Panikknopf für eine Notfallmeldung an die Zentrale oder auch das verstärkte Fahrwerk und der gefederte Sitz wegen der schlechten Strassen. Diese Nachrüstvarianten sind unsere Stärke. Wir versuchen immer, Tools zu schaffen, die das Leben erleichtern», führt der 54-jährige CEO aus.

Die weltweit eingesetzten Zustelldreiräder von Kyburz sind teilweise mit einem Flottenmanagement ausgerüstet. Martin Kyburz: «Flottenmanagement ermöglicht unter anderem auch die Mehrfachnutzung der Fahrzeuge, was wiederum Ressourcen und Energie spart.» Dank der Telemetriedaten kann Kyburz eine hohe Zuverlässigkeit und einen effizienten Betrieb garantieren. So sammelte man viel Erfahrung im Bereich des Flottenmanagements, war wegen der mangelnden Flexibilität der angebotenen Software aber nie ganz zufrieden. Die pragmatische Lösung aus Freienstein: Man programmierte selbst. Kyburz begann im Flottenmanagement aktiv zu werden und alle betriebsrelevanten Daten einer Flotte zu erfassen. «Nur: Beim Einsatz eines OBD-Steckers kann der Hersteller sagen, es hat eine Manipulation stattgefunden, die Garantie gilt nicht mehr. Daher haben wir nach einer Lösung ohne Stecker gesucht», erläutert Martin Kyburz. Möglich macht dies nun die Fleetbox, ein kleines schwarzes Kästchen, nicht grösser als eine Zigarettenschachtel, das mittels Messtechnik die Signale abgreift. Die Box speichert und liefert Daten zu Position, Batterietemperatur, Strom- oder Treibstoffverbrauch, Batteriespannung, Motorentemperatur, gefahrene Wegstrecken und vieles mehr.
 
 

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Mittlerweile sind in dieser Kyburz-Sparte zwölf Leute – darunter sieben Entwickler – tätig. Sie bietet Lösungen für ökonomischere Fahrweisen, Überwachung von Kühltransporten in Echtzeit, Optimierung von Transportrouten oder auch automatische LSVA-Deklaration an. «Die Datenerfassung und -aufbereitung ist unsere Stärke», verrät Projektleiter Hanspeter Wepfer. Bei Kyburz lassen sich die Fahrzeugdaten von über 600 unterschiedlichen, neuen genauso wie alten, Modellen erfassen.

«Das Wissen über eine Flotte ist zentral», führt Wepfer aus, «mit unserer professionellen Software lässt sich da einiges an Geld sparen.» Kein Wunder, setzt unter anderem die Planzer-Gruppe, Stahlhändler Debrunner oder eine rund 400 Schneepflüge, -fräsen und Salzstreuer umfassende Winterdienstflotte im Kanton Wallis auf die Kyburz-Lösung. Beim letzten Projekt unterstützte der ehemalige Professor Kurt Hug von der Berner Fachhochschule, Abteilung Automobiltechnik, das Unternehmen. «Er ist ein Pensionär im klassischen Unruhestand; viel zu vif für die Rente. Ich gehe gerne projektbezogene Zusammenarbeiten ein», führt der Kyburz-Chef aus. «Es muss einfach und unkompliziert sein. Ich bevorzuge dabei ein Kunden-Lieferanten-Verhältnis, so dass immer einer die Dienstleistung des anderen einkauft. Egal, auf welcher Seite. Derjenige, der die Dienstleistung einkauft, ist dann auch im Besitz dieser Innovation. Der andere hat dafür viel gelernt.» 

Weil der Firmengründer nicht nur Freude an neuen Entwicklungen hat, sondern stets auf Nachhaltigkeit bedacht ist, landen in einem weiteren Kyburz-Projekt seit kurzem die alten DXP-Dreiräder nicht einfach auf dem Schrott. «Jährlich kommen 600 bis 800 DXP-Dreiräder von der Schweizerischen Post zu uns zurück», erklärt Kyburz. Die clevere Lösung hier: Unter dem Namen «2ndLife» wird den Dreirädern, die meist noch in gutem Zustand sind, neues Leben eingehaucht. Die gelben Post-Teile werden durch weisse Elemente ersetzt, alle anderen Komponenten inklusive Batterien genau überprüft und wenn nötig ersetzt. Zum Schluss verlassen die 45 km/h schnellen Dreiräder die Kyburz-Hallen wieder mit zwei Jahren Werksgarantie. Gleich neben dieser Montagestrasse steht bereits eine Versuchsanlage, auf der bald alte Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien in ihre Rohstoffe aufgetrennt werden sollen. «Das ist viel effizienter, als sie zu schreddern. Ein gelernter Chemielaborant, der danach Umwelttechnik studierte, hat sich für seine Diplomarbeit damit befasst.» Das Resultat der Diplomarbeit überzeugte, nun ist der ehemalige Student bei Kyburz als Projektleiter für das Batterie-Center angestellt. «Ist die Prüfung der Umweltverträglichkeit und der Arbeitssicherheit abgeschlossen, werden wir hier bald die Batterien unserer DXP recyclen können.»

Dann verabschiedet sich der von Innovationen getriebene Kyburz-CEO Martin Kyburz. Er muss in die Entwicklungsabteilung. Es gibt noch offene Fragen betreffend Optimierung eines Lastenfahrrads und eines Wechselboxen-Systems, bei denen das Wissen und die Erfahrung des gelernten Maschinenmechanikers und diplomierten Elektroingenieur gefragt sind.
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