90 Jahre AGVS: «Die Fachkräfte sind das Rückgrat in den Betrieben»

90 Jahre AGVS

90 Jahre AGVS: «Die Fachkräfte sind das Rückgrat in den Betrieben»

11. Juli 2017 agvs-upsa.ch - Der AGVS feiert in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Die Zentralvorstandsmitglieder Urs Wernli, Pierre-Daniel Senn und Manfred Wellauer im Interview.


Gemeinsam für das Autogewerbe: AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli und die Vizepräsidenten Pierre-Daniel Senn (l.) und Manfred Wellauer (r.).
 
sco. Der AGVS feiert sein 90-Jahr-Jubiläum. Was bedeutet diese Zahl für Sie?
Manfred Wellauer (MW): In Zehnerschritten gesehen, könnte man sagen nicht ganz 100. (Lacht) Aber das trifft für den AGVS nicht zu, im Gegenteil. Geht man davon aus, dass eine Generation rund 30 Jahre ausmacht, dann sind wir jetzt bereits drei Generationen alt.
Urs Wernli (UW): Diese 90 Jahre zeigen, dass es über mehrere Jahrzehnte und in schwierigen Perioden gelang, die Mitglieder des AGVS für das gemeinsame Vorankommen zu verpflichten. Die Entwicklung des AGVS war damals und ist heute immer noch getrieben von der Überzeugung, dass bei allen Tätigkeiten dieses gemeinsame Vorankommen der Mitglieder immer erste Priorität haben muss.
Pierre-Daniel Senn (PDS): 90 Jahre belegen gleichermassen das lange Bestehen und die Aktualität des Bedürfnisses zusammenzustehen, um seine Interessen zu vertreten. Und es unterstreicht die Langlebigkeit unseres Gewerbes.
 
Wenn Sie die Entwicklung des AGVS in den letzten Jahren betrachten: Wo sind Sie zufrieden? Wo besteht Handlungsbedarf?
PDS: Es gibt immer Handlungsbedarf, nichts ist gesichert. Der AGVS ist verpflichtet, sich unermüdlich für die Rahmenbedingungen unserer Branche einzusetzen. Ein Erfolg ist sicher das hohe Niveau unserer Berufsbildung, aber es gibt Handlungsbedarf im Fahrzeughandel, vor allem bei den Occasionen.
MW: Selbstverständlich ist die Ausbildung eine der Kernkompetenzen des AGVS und ein wichtiger «Berührungspunkt» für unsere Mitglieder. Ich glaube aber, bezüglich Stellenwert – beispielsweise in politischen Fragen oder auch als Ansprechpartner in Sachen Mobilität – haben wir in den letzten Jahren viel gemacht und auch an Bedeutung gewonnen. Vielleicht kommt das beim einzelnen Mitglied noch zu wenig an.
UW: Es ist uns gelungen, den AGVS strategisch und operativ in allen Sparten professionell zu organisieren. Der Umzug in die Mobilcity macht diese Entwicklung sichtbar. Handlungsbedarf besteht in einem Branchenverband immer. Einen ausserordentlichen Effort werden wir leisten müssen, um die Mitglieder in die neue Welt der Digitalisierung zu begleiten.
 
Welches würden Sie als grössten Erfolg des AGVS bezeichnen?
UW: Allgemein, dass es gelungen ist, über all diese Jahre genügend qualifizierte Fachkräfte auszubilden. Sie sind das Rückgrat in den Betrieben. In jüngerer Zeit den Erhalt der KFZ-Bekanntmachung: Sie garantiert den Garagisten zweijährige Vertragsfristen und den Zugang zu allen technischen Daten.
MW: Es sind viele Mosaiksteine, die in der Summe das Bild ergeben. Auch ich betrachte die Bildung als ein sehr wichtiges Element. Die heutigen Weiterbildungsmöglichkeiten in unserer Branche sind extrem breit und auf einem hohen Niveau.
PDS: Ausserdem manifestiert der AGVS Tag für Tag die Solidarität innerhalb der Branche gegenüber Zulieferern, Kunden, Mitarbeitenden und dem politischen Umfeld.
 
Der AGVS als Branchenverband kümmert sich hauptsächlich um Branchenvertretung, Dienstleistungen und Berufsbildung. Wie entwickeln sich diese drei Kernkompetenzen hinsichtlich ihrer Bedeutung und Gewichtung?
UW: Ich sehe die drei Kernkompetenzen im Gleichschritt. Innerhalb der strategischen Ausrichtung gibt es je nach den Entwicklungen in den Märkten, der Politik, bei Verordnungen oder bei den Bildungsvorgaben unterschiedliche Prioritäten bei den Jahreszielen.
MW: Man kann das als einen Tisch oder ein Dreibein betrachten: Die Balance ist entscheidend. Jedes der drei Beine ist wichtig, sollte ungefähr gleich lang sein und auch in Zukunft seine Bedeutung haben. Sonst fällt das Dreibein um …
PDS: Ich sehe heute vor allem zwei wichtige Themen: die Berufsbildung und die Interessenvertretung. Die beiden Anliegen ergänzen sich und zielen darauf ab, die besten Rahmenbedingungen für die Branche zu erreichen.
 
In den letzten Jahren hat sich der AGVS vermehrt als «Stimme der Vernunft» in den politischen Diskurs eingebracht. Wie schwierig ist es, in einer dermassen ­heterogenen Branche mit einer Stimme aufzutreten?
PDS: Der AGVS ist mit seinen Sektionen, Kommissionen, Versammlungen und auch Arbeitsgruppen so aufgestellt, dass er wichtige Themen debattieren und schliesslich auch eine einheitliche Position festlegen kann. Die Schwierigkeit liegt vielmehr darin, die Qua-lität der demokratischen Debatte sicherzustellen und dafür eine solide Basis zu liefern.
UW: Meist sind die Interessen aller Garagisten gleich gelagert. Aber es ist eine Herausforderung, die Mitglieder an der Front, also in der Garage, für den politischen Diskurs respektive das Überzeugen der Kunden zu gewinnen. Man muss das verstehen: Schliesslich haben die Kunden unterschiedliche politische Haltungen und unsere Garagisten versuchen, allen gerecht zu werden.
MW: Meines Erachtens ist es wichtig, dass wir immer die Interessen unserer Mitglieder oder zumindest einer Mehrheit ins Zentrum unseres Handelns stellen. Im Zweifelsfall sind wir lieber etwas zurückhaltend und defensiv, bei klar branchenrelevanten Themen aber laut und deutlich.
 
Die Welt des Autos und damit auch die Herausforderungen an die Branche sind in einem rasanten Wandel. Wie hält der Verband mit diesem Wandel Schritt?
UW: Der Zentralvorstand überprüft regelmässig die relevanten Veränderungen in der Autobranche aus der Sicht der Mitglieder und entwickelt die Strategie weiter. Die breite Abstützung in vielen Fachkommissionen, Arbeitsgruppen und in Zusammenarbeit mit den Sektionen helfen mit, zeitgerecht unterwegs zu sein.
PDS: Es ist wichtig, seine Werte zu kennen, um zu wissen, warum man etwas macht. Der Wandel findet gerade in dieser Hinsicht oft nur an der Oberfläche statt, die fundamentalen Werte verändern sich nur sehr selten. Es ist die Aufgabe eines Verbandes wie dem AGVS, das Wichtige vom Relativen zu unterscheiden und die richtige Perspektive zu wahren.
MW: Unser Milizsystem der verschiedenen Gremien ist hier sicher ein wesentlicher Vorteil. Die meisten Personen sind aktiv an den Veränderungen in der Branche beteiligt oder zumindest direkt damit konfrontiert. Diese Inputs werden sodann auch in den Verband getragen.
 
Welche Herausforderungen warten in den nächsten zehn Jahren auf den Verband und seine Mitglieder?
UW: Wäre ich ein Prophet, dann wäre ich wohl nicht der Zentralpräsident des AGVS (lacht). Keiner kann das voraussagen. Es scheint, dass die Digitalisierung eine gewisse Disruption im Autogewerbe auslösen könnte. Elektromobilität, Sharing Economy, rasante technische Entwicklungen in der Fahrzeugtechnik werden unseren Mitgliedern viele Veränderungen abverlangen. Der Verband muss als Orientierungshilfe die Veränderungen früh erkennen und die Mitglieder orientieren, damit diese wiederum die Handlungsoptionen prüfen können.
MW: Einerseits sind es gesetzliche Themen, die es unseren Mitgliedern nicht immer einfach machen, freie Unternehmer zu sein. Andererseits sind auch Themen wie Elektromobilität und autonom fahrende Fahrzeuge grosse Herausforderungen. Aber auch andere Möglichkeiten von alternativen Antriebskonzepten bringen gewisse Herausforderungen mit sich. Meines Erachtens wäre Biogas als Treibstoff eine sehr vernünftige Alternative: Biogas ist zu 100 Prozent erneuerbar, man kann es in der Schweiz herstellen, es existiert ein Tankstellennetz, die Tankzeit beträgt maximal drei bis vier Minuten und die Reichweiten sind gut. Aber auch diese Technologie bringt Herausforderungen mit sich. Ein Grossteil unserer Mitglieder kennt CNG noch zu wenig.
PDS: Die Rolle des Garagisten wird sich nicht grundlegend ändern. Er hat weiterhin die Aufgabe, die Nutzungsdauer der ihm anvertrauten Fahrzeuge zu verlängern, sei es durch Reparatur und Unterhalt, sei es durch Rücknahme und Verkauf der Occasionen. Die Form hingegen, wie er diese Rolle spielen wird, hängt sehr stark von der Technologie ab. Es ist an uns, dieses Wissen zu erwerben und weiterzugeben.
 

 
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